Klimakollaps, Teil 1: Wie die Superreichen sich schützen wollen – vor uns

Die Warnungen vor dem Klimakollaps werden immer drängender. Wie ist es zu begreifen, dass wir die Warnungen weiterhin lesen, hören, erfassen – und dennoch immer weitermachen wie bisher? 

Im Film „Don´t look up” ist es nicht die Klimakrise, sondern ein Komet, der die Menschheit bedroht – nur noch wenige Monate sind es, so erfährt der Zuschauer, bis zum Einschlag des Kometen. Doch die Nachricht bringt weder Politik noch Öffentlichkeit zum Handeln. Was im Film folgt, ist ein bissiger, satirischer Blick auf Verdrängungs- und Verleugnungsstrategien. Ein Sinnbild dieser Strategien steckt schon im Titel „Don´t look up“: Wenn die Bedrohung realer wird, wenn der Komet schon so nah ist, dass er mit dem Teleskop und bald darauf auch mit bloßem Auge zu sehen ist – dann schau einfach nicht nach oben. 

Chiharu Shiota: Der Schlüssel in der Hand, Japanischer Pavillon, Biennale Venedig 2015 Fotos: privat

Uns ergeht es in Wirklichkeit ähnlich. Die „Warnung der Wissenschaftler an die Menschheit“ wiederholt sich in immer kürzeren Abständen: Ende 1992 begann diese Warnung mit den Worten: „Die Menschen und die natürliche Welt sind auf einem Kollisionskurs“.

Im November 2017 waren es bereits 15.364 Wissenschaftler, die sich dieser Warnung anschlossen. Im November 2019 folgte die dritte Warnung vor dem Klimanotstand. 2021  wurde diese aktualisiert: Kritische Elemente des Erdsystems nähern sich dem Kipppunkt oder haben ihn bereits überschritten. Grundlegende Systemänderungen sind erforderlich. Die sofortige, drastische Verringerung der Treibhausgase – vor allem Methan – müsste priorisiert werden. Von 31 „planetarischen Vitalwerten“, haben aktuell 18 Rekordwerte erreicht. 

Angesichts dessen scheint der Kollaps immer unausweichlicher. 

Es gibt Menschen, die die Gefahr des Kollapses sehr wohl begriffen haben. Und sich vorbereiten: Die Superreichen. Diejenigen, die mit am meisten zur Klimakatastrophe beitragen. Laut Oxfam haben die reichsten 1 % der Weltbevölkerung in den letzten 25 Jahren mehr als doppelt so viel CO2 verbraucht wie die ärmsten 50 % – das sind 3,1 Milliarden Menschen. Und da die Ungleichheit weiter zunimmt, werden auch diese unverhältnismäßigen Auswirkungen zunehmen: Bis 2030, prognostiziert Oxfam, wird der CO2-Fußabdruck der Reichsten 1 % der Welt 30-mal größer sein als das Niveau, das mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens vereinbar ist.

Die Superreichen rechnen mit dem gesellschaftlichen Zusammenbruch

Wie die “Prepper” unter ihnen denken, wie sie sich die Apokalypse vorstellen, und vor allem, wie sie diese überleben wollen, zeigt ein Artikel aus dem Guardian von Douglas Rushkoff im September 2022.

Rushkoff beschreibt sich selbst als “Humanisten, der über die Auswirkungen der digitalen Technologie auf unser Leben schreibt”, und als solcher wird er manchmal von der Tech-Elite angefragt – und darüber hat er nun ein ganzes Buch geschrieben, Survival of the Richest. Der Klappentext: “Die Superreichen haben einen Plan, um die Apokalypse zu überleben: Sie wollen uns alle zurücklassen.”

Wie man “das Ereignis” überlebt

Was dann folgt, ähnelt auf frappierende Weise der Science-Fiction-Satire “Don´t look up”, ist aber real: Fünf mysteriöse Milliardäre haben Douglas Rushkoff zu einem privaten Gespräch in ein Wüstenresort chauffieren lassen. Das Thema? Wie man „the Event“, “das Ereignis” überlebt, die gesellschaftliche Katastrophe, von der sie wissen, dass sie kommt. Rushkoff beschreibt das “Mindset” dieser Männer: Die Gewissheit im Silicon-Valley-Stil, dass sie die Gesetze der Physik, Wirtschaft und Moral brechen können, um einer selbst verursachten Katastrophe zu entkommen – solange sie genügend Geld und die richtige Technik dafür haben. Dieses Mindset zeigt sich in Missionen zum Mars, Inselbunkern und dem Metaversum. Und in den Fragen, die Rushkoff von den Männern – mindestens zwei davon sind Milliardäre – gestellt werden: “Neuseeland oder Alaska? Welche Region wäre von der kommenden Klimakrise weniger betroffen? Von da an wurde es nur noch schlimmer. Was wird die größere Bedrohung: globale Erwärmung oder biologische Kriegsführung? Wie lange sollte man einplanen, um ohne fremde Hilfe überleben zu können? Sollte ein Tierheim eine eigene Luftversorgung haben? Wie hoch wird die Wahrscheinlichkeit einer Grundwasserverunreinigung sein? Schließlich erklärte der CEO eines Maklerhauses, dass er den Bau seines eigenen unterirdischen Bunkersystems fast abgeschlossen habe, und fragte: „Wie behalte ich nach dem “Ereignis” die Autorität über meine Sicherheitskräfte?“ Das “Ereignis”. Das war ihr Euphemismus für Umweltkollaps, soziale Unruhen, Atomexplosion, Sonnensturm, unaufhaltsame Viren oder böswillige Computerhacks, die alles zum Erliegen bringen. (…)”

“Diese eine Frage”, so Rushkoff, “beschäftigte uns für den Rest der Stunde. Sie wussten, dass bewaffnete Wachen benötigt würden, um ihre Anlagen vor Angreifern und wütenden Mobs zu schützen. Einer hatte sich bereits ein Dutzend einer Spezialeinheit der U.S. Navy gesichert, die sich auf den Weg zu seinem Anwesen machen würden, wenn er ihnen das richtige Stichwort gab. Aber wie würde er die Wachen bezahlen, wenn selbst seine Krypto wertlos war? Was würde die Wachen davon abhalten, schließlich ihren eigenen Anführer zu wählen?

Die Milliardäre überlegten, spezielle Kombinationsschlösser für die Lebensmittelversorgung zu verwenden, die nur sie kannten. Oder Wachen dazu zu bringen, als Gegenleistung für ihr Überleben irgendeine Art von Disziplinarkragen zu tragen. Oder vielleicht Roboter bauen, die als Wächter und Arbeiter dienen – wenn diese Technologie „rechtzeitig“ entwickelt werden könnte.

Ein Auto, das schnell genug fährt, um seinem eigenen Auspuff zu entkommen

Ich versuchte, mit ihnen zu diskutieren. Ich nannte prosoziale Argumente, Partnerschaft und Solidarität als die besten Ansätze für unsere gemeinsamen, langfristigen Herausforderungen. Der Weg, um Ihre Wachen dazu zu bringen, in Zukunft Loyalität zu zeigen, besteht darin, sie jetzt wie Freunde zu behandeln, erklärte ich. Investieren Sie nicht nur in Munition und Elektrozäune, sondern in Menschen und Beziehungen. Sie verdrehten die Augen bei dem, was für sie nach Hippie-Philosophie geklungen haben muss.

Dies war wahrscheinlich die wohlhabendste und mächtigste Gruppe, der ich je begegnet war. Doch hier waren sie und baten einen marxistischen Medientheoretiker um Rat, wo und wie sie ihre Weltuntergangs-Bunker einrichten sollten. Da wurde mir klar: Zumindest für diese Herren war dies ein Vortrag über die Zukunft der Technik.

(…) Ihr extremer Reichtum und ihre Privilegien dienten nur dazu, sich obsessiv damit zu befassen, wie sie sich gegen die sehr reale und gegenwärtige Gefahr des Klimawandels, des steigenden Meeresspiegels, der Massenmigration, der globalen Pandemien, der Panik der Landbewohner und der Erschöpfung der Ressourcen abschotten könnten. Für sie geht es bei der Zukunft der Technologie nur um eines: Flucht vor dem Rest von uns.

Diese Leute überschütteten die Welt einst mit wahnsinnig optimistischen Geschäftsplänen darüber, wie Technologie der menschlichen Gesellschaft nützen könnte. Jetzt haben sie den technologischen Fortschritt auf ein Videospiel reduziert, das einer von ihnen gewinnt, indem er die Notluke findet. Wird es Jeff Bezos sein, der in den Weltraum wandert, Thiel zu seinem neuseeländischen Gelände oder Mark Zuckerberg zu seinem virtuellen Metaversum? Und diese katastrophalen Milliardäre sind die mutmaßlichen Gewinner der digitalen Ökonomie – die vermeintlichen Champions des Überlebens

Mir wurde klar, dass diese Männer eigentlich die Verlierer sind. Die Milliardäre, die mich in die Wüste gerufen haben, um ihre Bunkerstrategien zu bewerten, sind weniger die Sieger des Wirtschaftsspiels als vielmehr die Opfer seiner pervers eingeschränkten Regeln. Mehr als alles andere sind sie einer Denkweise erlegen, bei der „gewinnen“ bedeutet, genug Geld zu verdienen, um sich vor dem Schaden zu schützen, den sie durch das Verdienen von Geld auf diese Weise verursachen. Es ist, als wollten sie ein Auto bauen, das schnell genug fährt, um seinem eigenen Auspuff zu entkommen.”

Rushkoff beschreibt sehr anschaulich, dass es längst ein lukratives “Apokalypse-Geschäft” gibt. Und die Einrichtungen, in die die meisten Milliardäre – oder genauer gesagt angehende Milliardäre – investieren, haben etwas Skurriles an sich: “Ein Unternehmen namens Vivos verkauft unterirdische Luxuswohnungen in umgebauten Munitionslagern, Raketensilos und anderen befestigten Orten auf der ganzen Welt. Wie Mini-Club-Med-Resorts bieten sie private Suiten für Einzelpersonen oder Familien und größere Gemeinschaftsbereiche mit Pools, Spielen, Filmen und Restaurants. Ultra-Elite-Unterkünfte wie das Oppidum in der Tschechischen Republik behaupten, die Milliardärs-Klasse zu bedienen und dabei der langfristigen psychischen Gesundheit der Bewohner mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sie bieten eine Nachahmung von natürlichem Licht, wie z. B. einen Pool mit einem simulierten sonnenbeschienenen Gartenbereich, einen Weinkeller und andere Annehmlichkeiten, damit sich die Reichen wie zu Hause fühlen.

Bei näherer Betrachtung ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein befestigter Bunker seine Bewohner tatsächlich vor der Realität der, nun ja, Realität schützt, jedoch sehr gering. Zum einen sind die geschlossenen Ökosysteme unterirdischer Anlagen absurd spröde. Beispielsweise ist ein versiegelter Hydrokulturgarten im Innenbereich anfällig für Kontamination. Vertikale Farmen mit Feuchtigkeits-Sensoren und computergesteuerten Bewässerungssystemen sehen in Geschäftsplänen und auf den Dächern von Startups in der Bay Area großartig aus; wenn eine Palette Mutterboden oder eine Reihe von Feldfrüchten nicht gelingt, kann sie einfach gezogen und ersetzt werden. Der hermetisch abgeriegelte Apokalypse-“Anbauraum” lässt das nicht zu.

Allein die bekannten Unbekannten reichen aus, um jede vernünftige Überlebenshoffnung zunichte zu machen. Aber das scheint wohlhabende Prepper nicht davon abzuhalten, es zu versuchen.” –

Rushkoffs Beschreibungen sind irritierend und erhellend zugleich – die Vorstellung der Superreichen, sich von der Realität isolieren zu können, die sie selbst erschaffen haben, die Vorstellung, den Rest der Menschheit einfach zurücklassen zu können, die Allmachts- und Unsterblichkeits-Phantasien, all das zeugt eher von kindlichem, fantastischem Größenwahn, von extremer Unreife und der Unfähigkeit, die Welt, vor der sie fliehen wollen, zu begreifen.

Im Film “Don´t look up” ist Peter Isherwell der CEO eines großen Technikunternehmens, der sich ebenfalls weniger für die Menschheit als für die auf der Erde nur begrenzt vorhandenen Rohstoffe des Kometen interessiert. Isherwell erinnert ein wenig an Elon Musk und an Steve Jobs, an Jeff Bezos ebenso wie an Richard Branson und Peter Thiel. Zusammen mit weiteren Superreichen macht er sich am Ende des Films aus dem Staub, rettet sich in eine der Kryokammern des Raumschiffs, mit dem der Trupp einen Planeten mit erdähnlicher Atmosphäre erreichen will, um dort neu anzufangen – etwas, wovon auch Bezos und Musk träumen. Im Film zumindest platzen diese Träume, in einem fulminanten, bitterbösen Ende – für alle.